Schönheit und ein schönes Gesicht liegen immer im Auge des Betrachters. Doch stimmt diese Aussage oder existieren nicht doch generelle Kriterien, durch welche definiert wird, was die Menschen in einem Gesicht als schön empfinden und welche Merkmale nicht? Zu diesem Thema gibt es etliche Studien, in welchen Gesichter mathematisch untersucht und auch andere Disziplinen herangezogen wurden, wie zum Beispiel die Psychologie und die Evolutionsbiologie. Die Frage lautet, ob diese Erkenntnisse eins zu eins in der Ästhetischen Chirurgie Anwendung finden können oder sich in der Praxis Schönheit und ein schönes Gesicht doch nicht so einfach in bestimmte Formeln pressen lassen.
Kann Schönheit berechnet werden?
Bereits zu Zeiten der Renaissance wurden von dem Künstler Leonardo da Vinci Proportionsstudien über die Schönheit von Gesichtern durchgeführt, die mit ganz bestimmten Gesetzen der Proportionalität einhergingen. Basierend darauf entwickelte sich die mathematische Berechnung der idealen Gesichtsproportionen mittels der Nutzung des sogenannten goldenen Schnitts. Das Resultat dieser Berechnungen beläuft sich auf eine Zahl mit sehr vielen Nach-Kommastellen, die auf unterschiedliche Gesichtsverhältnisse angewendet werden können und somit beispielsweise aufzeigen kann, ob der Mund im Verhältnis zu der Nase zu schmal oder zu breit ausfällt. Zudem lässt sich auch die Siebtel-Regel anwenden, um die Proportionen des Gesichts zu definieren. Diese Regel erklärt ein schönes Gesicht; es lässt sich in sieben Teile einteilen:
Haare 1/7, Nase und Stirn 2/7, Mund und Nase 1/7, Kinn und Mund 1/7. Eine US-amerikanische Forschergruppe beschäftigte sich insbesondere mit der perfekten weiblichen Form der Lippen und konnte feststellen, dass ein Mund dann besonders attraktiv wirkt, wenn die Unterlippe doppelt so groß wie die Oberlippe ist und sie etwa zehn Prozent der unteren Gesichtshälfte einnimmt. Werden diese Berechnungen auf die Praxis angewendet, so ergeben sich in der Tat sehr schöne Gesichter, wobei jedoch zu viele Einflussgrößen unbeachtet bleiben. Solcherlei Formeln von Schönheit funktionieren also nur bis zu einem gewissen Maß, denn sie beziehen nicht mit ein, welche Vorlieben jeder einzelne Mensch bezüglich von Schönheit hat. Diese individuellen Vorlieben sind sehr subjektiv. Zwar existieren Gesichter von im Allgemeinen als schön wahrgenommener Menschen, an welchen sich ein sehr spiegel-symmetrisches Verhältnis und der „perfekte“ Abstand von Nase, Augen, Mund usw. erkennen lässt, doch lassen diese Berechnungen zu viele Komponenten außenvor, die genauso einen Einfluss auf die Beurteilung der Attraktivität eines Menschen haben. Hierzu zählt beispielsweise auch die Mimik, die einen ganz wesentlichen Einfluss darauf hat, ob eine Person als sympathisch oder eher unsympathisch wahrgenommen wird.
Durch die Sympathie wird eine Person im Auge des Betrachters immer auch als schöner wahrgenommen. Evolutionär betrachtet diente das sogenannte „Zähne zeigen“ bei den Affen als Geste von Unterwürfigkeit. Bezogen auf den Menschen suggeriert ein Lächeln dem Gegenüber, dass man nicht gefährlich ist und dem anderen nichts zu Leide tun wird. Wer letzten Endes als sympathisch empfunden wird, hat auch viel mit vergangenen Erfahrungsmustern zu tun. Bestimmte Gesichtszüge eines sehr geliebten Menschen können sich in anderen Personen wiederspiegeln und dann wiederum besonders attraktiv wirken. Ebenso funktioniert dies selbstverständlich auch gegenteilig mit Merkmalen, die wegen ganz bestimmter Erfahrungen als besonders unsympathisch wahrgenommen werden. Dies kann evolutionsbiologisch sogar durchaus Sinn ergeben, da durch die individuell verschieden empfundene Schönheit zu einem größerer Gen-Pool, das heißt zu einer höheren Vielfalt beigetragen wird. Allerdings ist diese These nicht bewiesen.
Irgendwie besonders und doch möglichst normal – ein schönes Gesicht
Die Durchschnittshypothese, welche besagt, dass ein Gesicht umso schöner wahrgenommen wird, je durchschnittlicher es ist, ist ein weiterer Ansatz, um die Schönheit zu definieren. Um diese Durchschnittshypothese beweisen zu können, legten Forscher Bilder unterschiedlicher Gesichter übereinander, wodurch das Ergebnis zu einem Durchschnittsgesicht führt, das von Befragten häufiger als schöner wahrgenommen wurde als die einzelnen Bilder der Gesichter. Als Durchschnittsgesicht wird ein Gesicht wahrgenommen, das für den Betrachter möglichst normal und symmetrisch wirkt. Gegenüber dem etablierte sich jedoch in Bezug auf Frauengesichter das sogenannte „Kindchenschema“, das nicht in jedem Fall mit dem Durchschnittsgesicht übereinstimmen muss. Zu den Merkmalen des „Kindchenschemas“ zählen eine reine Haut, große Augen, hohe Wangenknochen, ein kleines Kinn, volle Lippen, glänzende Haare und ein eher gleichmäßiger Haaransatz.
Der Begriff „Kindchenschema“ wird durch die Jugendlichkeit, die durch diese Merkmale ausgedrückt wird, erklärbar, denn diese Merkmale stehen für Fruchtbarkeit und sprechen den Beschützerinstinkt an. Werden Durchschnittsgesichtern bestimmte „Kindchenschema“-Anteile hinzugefügt und die zum Beispiel die Augen etwas vergrößert, wird das Gesicht von den Probanden als attraktiver bewertet. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur besonders symmetrische Gesichtszüge als schönes Gesicht empfunden werden. Insbesondere die Gesichtsbesonderheiten können dazu führen, dass ein Gesicht stärker in Erinnerung bleibt. Gesichter, die zu weit von der Norm abweichen, sind jedoch kein Zeichen für Gesundheit und werden aus diesem Grund generell als weniger attraktiv bewertet.
Ein schönes Gesicht mit Ästhetischer Medizin?
Schönheit lässt sich durchaus bis zu einem gewissen Grad berechnen und die Ästhetische Medizin ist heutzutage in der Lage, ein Gesicht in die Richtung des perfekten Gesichtes zu verändern. Aus der Lippenstudie beispielsweise lässt sich ableiten, dass es nicht allein um das Volumen der Lippen geht, sondern es vielmehr auf ein perfektes Ober- und Unterlippenverhältnis ankommt, um ein ästhetisches Resultat, das nicht unnatürlich wirkt, zu schaffen. Dies gilt selbstverständlich auch für alle anderen gesichtschirurgischen Behandlungen.
Sich einzig an den mathematischen Kriterien zu orientieren, wird nie zielführend sein, denn die individuelle Gesichtsform muss immer in die Überlegungen mit einbezogen werden, um die Gesichtsproportionen harmonisch wirken zu lassen. Letztendlich ist das Beratungsgespräch mit einem erfahrenen hochspezialisierten Arzt maßgeblich, denn in der Regel besitzt er einen geschulten und sehr guten Blick für die Gesichtsproportionen – und das ist entscheidend. Der Arzt kann die Proportionen am ehesten realistisch einschätzen und die Grenzen des Machbaren aufzeigen.
Ein falscher Perfektionismus kann auch dazu führen, dass kein schönes Gesicht, sondern ein starr wirkendes, operiertes Gesicht geschaffen und die Individualität eingebüßt wird. Jede Schönheits-OP sollte eine Möglichkeit bleiben, die störende Makel zu entfernen, doch dabei keinen vollkommen neuen Menschen zu kreieren, der sich selbst nicht mehr im Spiegel erkennen kann.